Pythagoras

 

 

 

Pythagoras   (ca. 570-480 v. Chr.)   wuchs  auf  Samos,  einer griechischen Insel in der östlichen Ägäis, in wohlhabenden bürgerlichen Verhältnissen auf. Von seinen Jugendjahren an reiste er zu Studienzwecken in mehrere Länder, darunter Ägypten, Phönizien, Israel und dem antiken Historiker Iamblich zufolge auch keltische Gebiete. Er studierte Natur-wissenschaften, lernte die lokalen Bräuche kennen und ließ sich in Mysterienkulte einweihen.

    Nach seiner Rückkehr auf Samos führte er seine For-schungen auf den Gebieten der Astronomie, Arithmetik, Geometrie und Musik weiter. Er nahm die Kugelgestalt der Erde als wahr an und erklärte die Beziehung der Gestirne zueinander. Er stellte eine philosophische Zahlenlehre auf. Er gilt als Erfinder des Monochords. Er gilt als Urheber wichtiger Bezeichnungen wie Philosophie und Kosmos. Er soll mit der Arztkunst vertraut gewesen sein und als Heiler gewirkt haben. Wahrsagekräfte wurden ihm zugeschrieben. Es wurden viele wundersame Geschichten über ihn erzählt. Seine Anhängerschaft maß ihm einen Status zwischen Mensch und Gott bei.

    Um ca. 530 v. Chr. verlegte er seinen Wohnsitz nach Unteritalien. In der Stadt Kroton nahm Pythagoras rasch den Senat für seine Sache ein. Er wurde damit betraut, für die ethische Erziehung der Bevölkerung zu sorgen und hielt ermahnende und ermunternde Reden. Durch sein pädagogi-sches und rhetorisches Geschick übte er einen solch erfolg-reichen Einfluß auf die krotoniatische Bevölkerung aus, daß die Kunde davon in ganz Unteritalien und Sizilien verbreitet wurde und Pythagoras seinen Wirkungskreis auf einen großen Teil des Landes ausdehnen konnte. Auch Gesetzge-ber und Herrscher ließen sich von ihm unterrichten.

    Pythagoras unterrichtete allerdings nicht nur öffentlich. Es hatte sich eine große Anhängerschaft aus Frauen und Männern um ihn gebildet – die sogenannten Pythagoreer. In einer, die Öffentlichkeit ausschließenden, akademischen Einrichtung, in der er und seine Freunde auch lebten, unterrichtete und vervollkommnete er seine Philosophie und mehrere Wissenschaften.

 

 

 

Zu Pythagoras´  Wiedergeburtslehre  überlieferte der  altgrie-chische Historiker Porphyrios folgendes:

 

Doch  am meisten  bekannt bei  allen  wurde erstens,  daß  er sagt, die Seele sei unsterblich, zweitens, daß sie sich in andere Arten von Lebewesen verwandle, außerdem, daß in bestimmten Umläufen das Gewordene wieder werde, nichts einfach neu sei, und daß man alles, was beseelt ist, für verwandt halten müsse. (Vita Pythagorae 19)

 

 

 

Pythagoras lehrte die ständige Wiederkehr aller Dinge  in be-stimmten Perioden als kosmisches Prinzip. Seine Auffassung, die menschliche Seele könne bei ihren Wiedergeburten auch in Tiere eingehen, ist der Grund für den Verzicht auf Fleischkonsum. Es bestehe nämlich die Gefahr, beim Verzehr von Tieren unwissentlich wieder-geborene Verwandte zu verspeisen.


 

Der römische Dichter Ovid schreibt in seinen  `Metamorpho-sen´ Pythagoras folgende Aussagen zu:

 

„Hütet euch, Sterbliche,  mit frevlerischem Mahl eure Leiber zu besudeln!“ (15,75f.)

 

 

 

„Weh,    welch   ein   Verbrechen   ist   es,    im   Eingeweide Eingeweide einzulagern und mit angehäuftem Leib den gierigen Leib zu mästen und als Beseelter vom Tod eines anderen Beseelten zu leben!“ (15,88-90)

 

 

 

„Lassen wir Leiber,  welche  die Seelen  der Eltern  oder Ge-schwister oder von solchen, die uns durch andere Bande verbunden sind, oder jedenfalls von Menschen enthalten könnten, in Sicherheit und in Ehren sein, und füllen wir nicht mit thyestischer Tafel die Eingeweide an!“ (15,459-462)

 

 

 

Nur  schädliche Tiere  dürften getötet werden,   jedoch  ohne daß sie verzehrt würden. (15,477f.)

 

 

 

Ähnlich heißt es in der Überlieferung von Porphyrios:

 

Er  riet  aber auch folgendes:  kultivierte  und  fruchttragende Pflanzen, aber auch Lebewesen, die von Natur aus dem Menschengeschlecht nicht schaden, weder vernichten noch schädigen! (VPyth. 39)


 

Laut Porphyrios  kannte  Pythagoras  seine früheren Inkarna-tionen. So soll er gesagt haben:

 

„Zuerst  war  ich  Euphorbos,  beim  zweiten Mal  Aithalides, beim dritten Hermotimos, beim vierten Pyrrhos, jetzt aber Pythagoras.“ (VPyth. 45)

 

 

 

Pythagoras wurde die Fähigkeit zugeschrieben,  frühere  Exi-stenzen auch von anderen Menschen zu erkennen. So soll er den Krotoniaten Myllias an sein früheres Leben als Phryger-könig Midas erinnert haben.

    Dem Erinnerungsvermögen maß Pythagoras eine auch für das Jenseits große Bedeutung bei. So dienten Meditation und morgendliche wie abendliche Selbstreflektionen der Pythagoreer nicht nur der charakterlichen Vervollkomm-nung, sondern auch der Übung des Erinnerungsvermögens. Dieses nämlich wäre wichtig für die Seele in der Unterwelt, damit sie sich an die Ratschläge des Pythagoras, für die Übersiedelung von hier, erinnere, um für die Wiedergeburt ein gutes Lebenslos zu wählen.

    Pythagoras war der Meinung, daß die Menschen zur Bestrafung auf der Welt seien und stellte einen Zusam-menhang zwischen diesseitigem Verhalten und dem Glück im Jenseits her. Dieses sei durch die Reinheit in der Lebens-führung zu erreichen. Der sizilische pythagoreische Univer-salgelehrte Empedokles (ca. 494-434 v. Chr.) sagte in diesem Zusammenhang, daß diejenigen Seelen, welche die höchste Reinkarnationsstufe erfolgreich durchlaufen hätten, ein von jedem menschlichen Leid freies Leben als Tischgefährten der Unsterblichen führen würden.

    Pythagoras war in seiner Seelenlehre durch Orpheus, den mythischen Sänger aus Thrakien, inspiriert. Dieser galt als ein Begründer der Mysterienkulte in Griechenland. Laut Platon versprachen die orphischen Mysterienpriester denjenigen, die sich von ihnen einweihen ließen, daß der Vollzug der Initiationsriten, der mit Opfern und lustvollen Ergötzungen verbunden war, sie vom Elend im Jenseits befreien werde, welches dagegen die Uneingeweihten erwarte. Platon vermerkte, daß selbst schlimmen Übeltätern Lösung und Reinigung versprochen wurde, wenn sie sich nur einweihen ließen.

    Auch Pythagoras verhieß seinen Anhängern durch die Befolgung der von ihm verordneten Riten und Vorschriften, welche zum Teil von der üblichen griechischen Lebens-führung stark abwichen, ein gutes Los im Jenseits. Im Gegensatz zu den Orphikern aber, bemaß Pythagoras die ethische Vortrefflichkeit als am wichtigsten, weil sie ihm als Gewähr für das Glück im Jenseits galt.

    Nach Pythagoras´ Tod in Metapont führten die Pytha-goreer seine Lehren weiter, die später in die Kultur des aufstrebenden Römischen Reiches einflossen.